Warum die Juden
beschnitten werden...
Graf Kazimir Badeni, österreichischer Ministerpräsident,
Statthalter von Galizien und Herr auf Radzichow, pflegte gerne zu jüdeln und
hatte eine besondere Vorliebe, sich mit seinen jüdischen Pächtern und Maklern in
ihrer Sprache zu unterhalten; oft und oft pflegte er mit ihnen Scherze zu
treiben, sie zu necken und mit Fragen in religiösen Dingen zu bedrängen. Siegte
er, hatte er Freude; unterlag er, vergnügte er sich
umsomehr, weil "seine Juden" so gescheit waren.
Einst wurde einem Pächter ein Knäblein geboren. Er kam zum
Grafen, um ihn zum Beschneidungsfest einzuladen. Badeni hatte wieder Gelegenheit
zu einer Hänselei.
"Eine feine Religion, die jüdische!" sagte der Graf. "Sie trug
euch auf, das neugeborene Knäblein zu beschneiden, ihm ein Organ zu verstümmeln.
Ist es nicht dumm und böse, ein wehrloses Geschöpf in seinen frühesten Tagen zu
verunstalten? Leben nicht Hunderte Millionen Menschen, ohne daß sie beschnitten
wären?"
"Exzellenz!", rief der diesmal gut gelaunte Jude, "erlauben
Sie mir, eine Geschichte zu erzählen?"
Das wollte doch Badeni. "Erzähle!" rief er.
Und der Jude erzählte.
"Im Garten des Kaisers in Wien war der Hofgärtner im Frühjahr,
wie gewöhnlich, mit der Reinigung der Bäume und Pflanzen
beschäftigt. Ein Bauer fuhr vorbei und sah verwundert, wie ein Mann Baum für
Baum, Pflanze für Pflanze beschnitt. Er warf dem Gärtner einen verachtenden
Blick zu und rief: "Dummer, böser Mann, warum verdirbst du die schönen Bäume?
Begreifst du nicht, dass du sie durch das Abhauen der unteren Zweige ihrer
Früchte beraubst?"
"Ich will es dir sagen", erwiderte der Gärtner, "wenn man eine
Pflanze unten beschneidet und reinigt, dann wächst sie oben umso herrlicher. Ob
das aber ein dummer Bauer verstehen wird!" "0h!, rief der einfältige Mann, "auch
ich habe in meinem Garten viele Bäume. Nie kam ein Schneidemesser über sie und
dennoch gedeihen sie und bringen Jahr für Jahr ihre Früchte."
In leichtem Plauderton antwortete der Gärtner, seine Arbeit
nicht unterbrechend: "Deine Bäume bedürfen keiner
Reinigung, aber die des Kaisers doch...".
"Schon genug, schon genug", rief Badeni und brach in helles
Gelächter aus. Am folgenden Tag erzählte er seinen
Freunden die "Geschichte" seines Juden; sie zog von Schloß zu Schloß. |