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Jüdische Weisheit

Ungewöhnliche Tiefe und Schärfe:
Der Witz der Juden

Salcia Landmann*

Der jüdische Witz nimmt in der Witzliteratur eine Sonderstellung ein. Er ist das Ergebnis von einzigartigen Umständen und Voraussetzungen auf religiösem, historischem, geistigem und sozialem Gebiete, die besonders geeignet waren, Witze von ungewöhnlicher Tiefe und Schärfe zu erzeugen.

Der Witz der Juden war durch Jahrhunderte hindurch die einzige und unentbehrliche Waffe des jüdischen Volkes. Es gab, zumal in der Neuzeit, Situationen, die der Jude ohne Hilfe des Witzes kaum hätte bewältigen können. Man kann sogar die Behauptung wagen: der Witz der Juden ist identisch mit ihrem Mute, trotz allem weiterzuleben. Heute ist der jüdische Witz fast nur noch eine historische Erscheinung, genau wie das europäische Judentum. Daraus ergeben sich Probleme, die sich bei früheren Witzsammlungen nicht stellten.

Zunächst: in welcher Sprache soll der jüdische Witz heute erzählt werden? Im Osten Europas erzählte man ihn ursprünglich jiddisch. Jiddisch ist, entgegen einem häufigen Vorurteil, nicht ein »Jargon«, sondern eine Nahsprache des Deutschen. Es ist aus mittelhochdeutschen Dialekten hervorgegangen, die von den flüchtenden Juden nach dem Osten mitgenommen und dort mit hebräischen, aramäischen und slawischen Elementen durchsetzt wurden. Aramäisch ist eine Volkssprache des vorderen Orientes, welche zur Zeit Jesu das alte Hebräisch in Palästina längst verdrängt hatte. Ein Großteil des nachbiblischen Schrifttums der Juden ist in aramäischer Sprache abgefaßt. Und da die männlichen Juden im Exil immer ihr altes religiöses Schrifttum in den Originalsprachen studierten, ergab es sich ganz von selber, dass diese beiden Sprachen aus dem religiösen Studium auch auf die jiddische Volkssprache abfärbten. Jiddisch vereint in sich, auf einem deutschen Grundstock, die Schärfe, Prägnanz und Eleganz der scholastischen Religionsdebatte des Mittelalters mit der Weichheit und Melodik der slawischen Sprachen.

Indes wurde, wie gesagt, nur ein Teil der jüdischen Witze in Jiddisch erzählt. Ein Großteil der Witze entstand nicht im Osten, sondern an der Grenzscheide zwischen der östlichen, traditionsgebundenen Welt und dem Milieu der bereits assimilierteren Juden weiter im Westen. Ganz davon abgesehen, dass der Deutschsprachige Jiddisch nicht ohne weiteres versteht, ist für diese zweite Gruppe jüdischer Witze nicht das reine Jiddisch, sondern die Mischung aus Jiddisch und Deutsch charakteristisch. Eine Mischung, die sich heute, da keiner sie mehr spricht, nicht gut künstlich herstellen lässt, die obendrein mit Recht die Bezeichnung »Jargon« trägt.

Die Witze in unserm Buche sind daher im wesentlichen deutsch erzählt. Wenn mir aber ein älterer Leser Witze in einer solchen Mischsprache schickte, die er offenkundig nicht künstlich gemixt, sondern selber noch in den Zwanziger Jahren im lebendigen Umgang mit Ostjuden in Frankfurt, Berlin oder Wien erlebt hatte, dann habe ich die eingesandte Fassung unverändert übernommen. Wie ich überhaupt die Einsendungen im großen ganzen nicht überarbeitet, sondern wörtlich nachgedruckt habe. Auch auf die Gefahr hin, dass dadurch die Sammlung den einheitlichen Stil einbüßte.

Aber was bedeutet schon stilistische Einheit bei einer Folklore-Sammlung? Auch die Brüder Grimm haben die Märchen in den verschiedenen Dialekten notiert, in denen sie ihnen erzählt wurden.

Bisherige Literatur:

Wir sagten schon, es gibt unzählige Sammlungen jüdischer Witze in den verschiedensten Sprachen. Fünf besonders bekannte und interessante Sammlungen mögen hier zitiert sein:

Immanuel Olsvanger: Rosinkes mit Mandlen.
Olsvanger war litauischer Jude. Er hat seine Witze und Schwänke in litauischem Jiddisch aufgezeichnet.

Es gibt seit dem 19. Jahrhundert nur noch zwei Varianten der jiddischen Sprache, eine nördliche, auch litauische genannt, und eine südliche, die in Polen und der Ukraine gesprochen wurde. Die beiden Varianten unterscheiden sich fast nur durch die Aussprache der Vokale.

Da das Jiddische normalerweise in hebräischen Buchstaben geschrieben wird, die hebräische Schrift jedoch die Vokale nicht mitschreibt, sondern im wesentlichen aus einem konsonantischen Gerüst und Stenogramm besteht, tritt die Unterscheidung zwischen den zwei Dialekten in der Schrift nicht in Erscheinung. Die Ostjuden hatten dadurch eine einheitliche Schriftsprache.

Olsvanger aber rechnete mit deutschsprachigen Lesern, mit Germanisten vor allem. Daher notierte er seine Schwänke in lateinischer Schrift. Sein Buch enthält auch viele ausführliche Anekdoten, die man nicht als eigentliche Witze bezeichnen kann, und deren Reiz mit der jiddischen Sprache steht und fällt. Es enthält ferner eine kurze Grammatik der jiddischen Sprache.

Der zweite »Klassiker« des jüdischen Witzes nennt sein Buch:

»Jidische wizen.
Gesamelt un bearbejt fun J. Ch. Rawnizki.«

Rawnizkis Sammlung ist ebenfalls in originalem Jiddisch, jedoch in hebräischer Schrift niedergelegt. Stärker als Olsvanger hat er das Gewicht auf solche Witze gelegt, die sich nach Inhalt und Form eindeutig als spezifisch jüdisch ausweisen. Vieles aus seiner Sammlung ist nur religiös gebildeten Ostjuden zugänglich, während Olsvanger bewußt eher Witze abdruckte, die auch der deutsche Leser leicht verstehen konnte.

In noch weit höherem Grade gilt das vom dritten »Klassiker«, M. A. Wiesen. Seine Sammlung »Chochme un charifess«, ebenfalls in originalem Jiddisch und in hebräischer Schrift verfasst, setzt eine jüdisch-talmudische Schulung voraus, die selbst im Osten nicht selbstverständlich war. Nur der kleinste Teil seiner Witze lässt sich auch nur übersetzen.

Ich selber habe – dies nur nebenbei – in meinem Buche »Jiddisch, Abenteuer einer Sprache« als Ergänzung zu meiner Analyse der jiddischen Sprache hundert jiddische Anekdoten sowohl in lateinischen wie auch in hebräischen Buchstaben abgedruckt und mit Übersetzung und genauer Worterklärung versehen. Das Buch ist aber primär als eine Einführung in die Geschichte und Eigenart der jiddischen Sprache und nicht als Anekdotensammlung zu betrachten.

Der vierte bedeutende Witzfolklorist ist A. Drujanow. Als Zionist hat er es vorgezogen, seine Sammlung in hebräisch zu publizieren. Immerhin macht Drujanow doch eine bestimmte Konzession an die ostjüdische Herkunft der Witze. Da das Jiddisch weit mehr mit dem nachbiblischen Aramäisch als mit dem biblischen Hebräisch versetzt ist, durchmischt auch er sein Hebräisch mit vielen späten, talmudischen Redensarten, obwohl man dies heute in Israel kaum mehr tut.

Diese Sammlung enthält auch ganz untypische Witze. Der Autor hat alles aufgenommen, was die Juden sich im ostjüdischen Bereich als »Witz« erzählten, und er hat es mit Kommentaren und mit Parallelen aus dem Witzgut anderer Völker versehen.

Die fünfte bekanntere Sammlung ist in jargonhaft gefärbtem Deutsch in den Zwanziger Jahren erschienen und stammt von Alexander Moszkowski.

*) aus dem Vorwort zur Taschenbuchausgabe.

JüdischeWitze
Ausgewählt und eingeleitet von Salcia Landmann
Deutscher Taschenbuch Verlag Neuausgabe November 2007
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Man sollte ihn sehr ernst nehmen:
Der jüdische Witz

Den ersten ›jüdischen‹ Witzen bin ich in Witzblättern begegnet – in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Da war fast in jeder Nummer von einem ›Kleinen Kohn‹ die Rede, der sich entweder sonderbar benahm oder auf einfache Fragen dümmlich-schlaue Antworten gab...

 


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